Was ist Kindergeflüster?
In meiner Rubrik Kindergeflüster erzähle ich aus Kindersicht Alltags-Situationen.
Sich in das Kind reinzuversetzen zeigt einem die besten Möglichkeiten auf, wie man in Situationen regieren kann. Für einen entspannten Familien-Alltag.
Mama, ich will noch nicht gehen.
Henry, 4 Jahre alt. Geflüstert an Mutterkraft-Sara.
Ich spiele so gerne mit meinem Freund Max im Sandkasten. Heute graben wir die tiefsten Löcher und verstecken Schätze darin. Meine Mama sitzt auf der Bank und redet mit ihrer Freundin. Max hat gerade ein tiefes Loch fertig und ich suche noch einen tollen Schatz, vielleicht der Stock da?
Plötzlich steht Mama neben mir. Ich sehe nur ihre Füße. Sie fragt wütend, warum ich denn nicht höre. Ich solle kommen – wir müssen nach Hause – jetzt!
Ich war so in mein Spiel vertieft, dass ich sie vorher wohl nicht gehört habe. Und jetzt sieht sie so böse aus. Und ich möchte nicht gehen, ich muss doch noch den Schatz vergraben. Das hab ich mit Max doch ausgemacht.
Bevor ich was sagen kann, schreit Mama mich an und nimmt meine Hand um mich vom Sandkasten weg zu ziehen. Den Stock – mein Schatz – den ich in der Hand hatte wirft sie einfach weg. Ich weiß nicht was ich tun soll. Meine Mama hört mir jetzt sicher nicht zu, so sauer wie sie ist.
Ich schreie und wehre mich, versuche zu hauen, damit sie mich losläßt. Aber meine Mama wird noch wütender und dann geht sie einfach ohne mich weg. Ich renne weinend und schreiend hinterher.
Dabei wollte ich doch nur noch den Stock vergraben – unser Spiel zu Ende spielen. Dann wär ich doch auch mitgegangen. Wieso versteht sie das denn nicht? Ich bin so traurig.
Es geht auch anders:
Die Mama von Henry möchte was an der Situation, die sich im Alltag oft wiederholt, ändern. Sie probiert aus, sich in Henry hinein zu versetzen. Sie hat sich ein paar Tipps über bedürnisorientierte Erziehung geholt und möchte diese gleich ausprobieren.
Gleiche Situation wie oben.
5min bevor sie gehen möchte, geht sie zu Henry und fragt ihn ob er ihr kurz zuhören kann.
Er sagt ja.
Sie kniet sich zu ihm herunter, damit sie ihm in die Augen schauen kann.
Sie lächelt ihn an, streicht über seine Schulter und sagt: Mensch, habt ihr tolle Löcher gebuddelt.
Henry antwortet stolz: Ja, da vergraben wir unsere Schätze, damit sie keiner findet.
Mama: Ich möchte jetzt gerne nach Hause gehen, damit ich rechtzeitig das Abendessen vorbereiten kann. Sonst wird es mir zu spät.
Henry: Ich möchte aber weiter spielen. Das macht so viel Spaß.
Mama: Das verstehe ich. Ich sehe, dass ihr viel Spaß miteinander habt. Aber ich möchte jetzt wirklich nach Hause. Etwas könnte ich aber noch warten, damit ihr euer Spiel zu Ende spielen könntest. Was meinst du?
Henry: Ok, ich muss eigentlich nur noch meinen Schatz vergraben und dann bin ich fertig.
Mama: Ist gut, ich packe so lange schonmal unsere Sachen ein. Du kannst dann einfach zu mir kommen, wenn du fertig bist.
Ein paar Minuten später kommt Henry zu Mama gelaufen uns sagt: Ich bin fertig.
Henry nimmt Mamas Hand und die beiden laufen los Richtung nach Hause.
Mama fragt: Wollen wir mal wieder was mit Max ausmachen, damit ihr euch bald wieder seht. Max freudestrahlend: JA!
Kurzanleitung:
- Das gehen rechtzeitig ankündigen. Dabei freundlich und direkt mit dem Kind reden. Nicht über den Spielplatz rufen. Besser ist hingehen, auf Augenhöhe und mit Körperkontakt (z.B. Hand auf Schulter legen) mit dem Kind reden. Wahren Grund (Bedürfnis) nennen, warum man gehen möchte.
z.B. Ich möchte daheim sein, wenn der Papa von der Arbeit kommt, damit wir zusammen essen können. - Fragen oder vorschlagen was das Kind noch erledigen möchte um sich besser vom Spielgeschehen lösen zu können.
z.B. Möchtest du noch einmal rutschen bevor wir gehen?
- Anbieten, dass man noch kurz warten kann, bis das Kind fertig ist. Je öfter man diesen Ablauf macht, desto besser kann sich das Kind darauf einstellen.
z.B. Ich könnte noch kurz warten bis du fertig bist. Was genau möchtest du denn noch machen? Einmal rutschen? Ok, ich warte am Platz auf dich. Komm dann einfach zu mir, wenn du fertig bist. - Falls das Kind sich immer noch mit dem gehen schwer tut. Nochmal hingehen, freundlich Verständnis zeigen aber betonen, dass man jetzt wirklich gehen möchte.
z.B. Wir hatten doch ausgemacht, dass du nur noch einmal rutscht? (Kind: Ich will aber nochmal). Ich weiss, das Rutschen macht dir viel Spaß. Am liebsten würdest du den ganzen Tag rutschen, richtig? (Kind: Jaaaa) Ich möchte jetzt aber wirklich gehen, wir können ja morgen nochmal herkommen. Dann kannst du ganz viel rutschen. Dabei sanft die Hand des Kindes nehmen und mit ihm Richtung Ausgang laufen.
Das Schönste an diesem Ablauf finde ich, dass meine Kinder diesen mittlerweile auch für mich anwenden. Wenn ich zufällig einer Freundin über den Weg laufe und mit ihr reden möchte, geben mir meine Kinder diese Zeit. Mein Sohn: Mama, red doch noch kurz fertig, wir warten ein bisschen auf dich. Und dann wollen wir aber heim gehen. 🙂
Ich freue mich, wenn ihr etwas davon für euren Familien-Alltag mitnehmen könnt.
Schöne und entspannte Spielplatz-Ausflüge wünsche ich euch!
Sara von Mutterkraft
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Photo by Johnny Cohen on Unsplash
Super geschrieben aus der Sicht unserer Kinder, danke für die Tips und die Kurzanleitung, echt hilfreich und ich muss sagen es funktioniert!
Danke! ☀️